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11.12.2014

Adlerschild des Deutschen Reiches

Seit 1922 wurde die hohe Auszeichnung an Gelehrte, Künstler und Unternehmer verliehen

Nachdem es im deutschen Kaiserreich unzählige Titel und Orden verliehen worden waren und ein Mensch ohne diese kaum etwas galt, bestimmte die Verfassung der Weimarer Republik im Artikel 109: "Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen. Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht verliehen werden. Kein Deutscher darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen". Ungeachtet dieser Bestimmungen durften bei feierlichen Gelegenheiten Orden und Ehrenzeichen angelegt werden, und auch mit der Verwendung und Vererbung von Adelstiteln war man nicht sehr pingelig. Was aber tun, wenn ein bedeutender Gelehrter oder Künstler und eine andere Persönlichkeit einen runden Geburtstag hat oder ein anderes Jubiläum gefeiert werden soll? Für diesen Zweck gab es den Adlerschild des Deutschen Reiches. Die aus einer bronzenen Gussmedaille bestehende Auszeichnung, die auf einem Bronzepodest stand, wurde zum erstenmal am 15. November 1922 vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert dem bekannten Schriftsteller Gerhart Hauptmann verliehen. Mit einem Handschreiben gratulierte das Staatsoberhaupt dem 60 Jahre alt gewordenen Literaturnobelpreisträger, der die Ehrengabe dankbar annahm.

Während der Reichsadler die Vorderseite der nach einem Modell des Münchner Bildhauers und Medailleurs Josef Wackerle geschaffenen, 108 mm große Scheibe schmückt, ist der Text auf der Rückseite stets anders abgefasst und auf den jeweiligen Träger abgestimmt. Gestalter der Schriftseite war zumeist der Berliner Grafiker Karl-Tobias Schwab. Der Adlerschild wurde in der bekannten Bildgießerei von Hermann Noack in Berlin-Friedenau hergestellt. Insgesamt haben die Reichspräsidenten Friedrich Ebert und Paul von Hindenburg die Auszeichnung neunzehnmal verliehen, und zwar an: Gerhart Hauptmann (Schriftsteller, 1922), Paul Wagner (Erfinder und Förderer der deutschen Bodenkultur, 1923), Emil Warburg (Begründer der deutschen Experimentalphysik, 1926), Adolf von Harnack (Theologe, Kirchenhistoriker und Verfasser einer Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1926), Max Liebermann (Maler, 1928), Hans Delbrück (Historiker, 1928), Ulrich von Willamowitz-Möllendorff (Klassischer Philologe, Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1928), Hans Kahl (Jurist, 1929), Lujo Brentano (Nationalökonom, Sozialreformer, 1929), Oskar von Miller (Gründer des Deutschen Museums in München, 1930), Friedrich Schmitt-Ott (Jurist, Politiker, Wissenschaftsorganisator 1930), Theodor Lewald (Sportfunktionär, 1930), Georg Dehio (Kunsthistoriker, Schöpfer des Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler, 1931), Robert Bosch (Unternehmer, Mäzen, 1931), Walter Simons (Jurist, 1931), Carl Duisberg (Chemiker, Industrieller, 1931), Max Sering (National- und Agrarökonom, 1932) und Ernst Brandes (Jurist, Agrarpolitiker, 1932). In der Zeit des Nationalsozialismus wurde von Hitler an 38 Gelehrte, Künstler, Wirtschaftsführer, Erfinder und andere Persönlichkeiten verliehen, wobei der alte Reichsadler durch das NS-Hoheitszeichen ersetzt wurde.

Alles, was mit dem Adlerschild zu tun hatte, lag bis zu seiner Entlassung durch das NS-Regime 1933 in den Händen von Reichskunstwart Edwin Redslob (1884-1973). Der Kunsthistoriker und Museumsmann war in der Weimarer Republik für die Gestaltung von Kurs- und Gedenkmünzen, Briefmarken, Denkmäler und offizielle Staatsakte zuständig und organisierte die Zusammenarbeit zwischen der Reichsregierung und den Künstlern im Lande. Redslob schrieb über den von Josef Wackerle entworfenen Reichsadler diese Worte: "In dem an einen gotischen Spitzbogen erinnernden Zusammenschluss der Schwingen und in der gestrafften und schlanken Anordnung des Ganzen, welche die aufsteigenden Linien betonen, ist ein Sinnbild geschaffen, das nicht nur ein Wappentier abbildet, sondern darüber hinaus den Reichsgedanken selbst zum Ausdruck bringt". Redslob legte dem Innenministerium und dem Reichspräsidenten die Liste der Persönlichkeiten vor, die mit dem Adlerschild ausgezeichnet werden sollten. Da die Auszeichnung sparsam vergeben wurde, dürfte sie noch in den Familien der betreffenden Personen und vielleicht auch in Museen existieren, im Münzhandel scheint sie nicht vorgekommen zu sein. Helmut Caspar