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08.10.2012

Russen und Deutsche

Ausstellung in Berlin über tausend Jahre Geschichte, Kunst und Kultur

Das oberste Geschoss des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel ist Schauplatz einer bis zum 13. Januar 2013 laufenden Ausstellung über tausend Jahre Beziehungen zwischen Russen und Deutschen, Deutschen und Russen. Vom Ministerium für Kultur der Russischen Föderation, dem Staatlichen Historischen Museum in Moskau und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter Federführung ihres Museums für Vor- und Frühgeschichte ausgerichtet, ist die Schau der wichtigste Beitrag für das Russlandjahr 2012/13 in Deutschland und zum Deutschlandjahr in Russland. Sie lotet die Tiefe und Vielfalt der Verbindungen zwischen beiden Ländern aus und beginnt mit ersten zaghaften Kontakten zwischen Händlern zu Wasser und auf dem Land im späten Mittelalter. Die Ausstellung schlägt einen Bogen über die dynastischen Verbindungen zwischen Herrscherfamilien, schildert die Höhen und Tiefen im Verhältnis beider Länder und hilft, deutsche Spuren in der russischen Geschichte und russische Spuren in der deutschen Geschichte zu erkennen. Die hochrangigen, vielfach bei uns noch nie gezeigte Exponate aus den großen Museen, Bibliotheken und Archiven hüben und drüben sowie weitere Leihgaben verdeutlichen, wie reichhaltig die gegenseitigen Kontakte waren und auch heute sind. Zwei im Treppenhaus des Neuen Museums anlässlich der Ausstellung aufgehängte Wandgemälde feiern den Einzug der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 in Paris. Die hier durch Herrscherfiguren hoch zu Ross geschilderte Waffenbrüderschaft ist im Laufe der Ausstellung dann noch einmal Thema.
Erlauchte Namen wie der der aus Deutschland stammenden Zarin Katharina II., der Großen, und prächtige Porträts, kostbare Staatsgeschenke und Zeugnisse für den Austausch von Militärs, Gelehrten und Künstlern können ebenso besichtigt werden wie Bücher und Manuskripte, in denen Forschungsreisende mit Alexander von Humboldt an der Spitze das weite Land im Osten dem Westen erklären und seine Bewohner, Städte, Kirchen und Klöster und seine Naturreichtümer beschreiben. Die sprichwörtliche russische Seele scheint in der Ausstellung durch Werke berühmter Richter und romantische Landschaften ebenso auf wie das deutsche Gemüt, aber es werden auch die vielen militärische Partnerschaften und mehr noch die tödlichen Feindschaften in den Beziehungen beider Ländern nicht ausgeklammert. Die Dokumentation im Neuen Museum brilliert durch erstrangige Schaustücke, und man kann sich nicht genug satt sehen an den Schatzfunden und anderen archäologischen Objekten, an mittelalterlichen Holzschnitzereien und Goldschmiedearbeiten, an Bronzeglocken und kleinen Kanonenmodellen, an Harnischen und Schwertern sowie an den Tafelgeschirren aus Silber und Porzellan, die von einem Hof zum anderen zur "politischen Landschaftspflege" entsandt wurden.
Die zuvor in Russland präsentierte Ausstellung mit mehr als 750 Stücken aus den Schatzkammern des Kreml, der Petersburger Eremitage und weiteren berühmten Sammlungen zeigt viel, sie klammert aber auch in ihrem Bemühen um Freundschaft und Harmonie manches aus. Dass Russland und deutsche Staaten von finsteren Despoten beherrscht wurden, die über Leichen gingen, erfährt man nur am Rande. Der Tod auf den Schlachtfeldern des 20. Jahrhunderts und die Leiden von Millionen Menschen in den Straf- und Todeslagern der Zaren und ihrer bolschewistischen Nachfolger wird in der opulenten Inszenierung von Glanz und Gloria weitgehend ausgeklammert.
Wer als Freund und Kenner alter und neuer Münzen und Medaillen die Ausstellung besucht, sieht seine Erwartungen enttäuscht. Zwar werden mittelalterliche Schatzfunde gezeigt, und es sind auch einige mit Gegenstempeln markierten deutsche Taler aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgelegt. Hingegen werden die Prachtmedaillen aus der Zeit Peters des Großen, Katharinas der Großen und ihrer Nachfolger, die vor allem von deutschen Künstlern geschaffen wurden, ausgeklammert. Dennoch sei die Ausstellung auch den Lesern dieses Blattes empfohlen, denn sie lenkt den Blick auf ein, um mit Fontane zu sprechen, ein weites Feld, das gut zu beackern noch viel Mühe und Arbeit verlangt. "In der Geschichte zwischen Russland und Deutschland werden nicht die Schrecken der Vergangenheit das letzte Wort behalten. Wir werden vielmehr die guten gemeinsamen Ansätze immer stärker entdecken und weiterentwickeln. Die gemeinsame Verantwortung verpflichtet uns schließlich, für eine gute Zukunft im europäischen Geiste Sorge zu tragen", erklärte Bundespräsident Joachim Gauck bei der Eröffnung der Ausstellung, von der er hofft, dass sie möglichst vielen Menschen die Augen öffnet "für den langen gemeinsamen Weg von Russen und Deutschen in der Vergangenheit und uns so ermuntert, zukünftig gemeinsam einen guten Weg zu gehen." Helmut Caspar