Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erregten in Berlin Skulpturen und Architekturelemente aus dem antiken Pergamon großes Aufsehen. Die Hinterlassenschaften aus der Hauptstadt des pergamenischen Königreichs wurden in einem ihnen gewidmeten Museum auf der Museumsinsel aufgestellt, das aber schon bald abgerissen und durch das 1930 eröffnete und weitaus größere Pergamonmuseum ersetzt wurde. Es dauerte lange, bis dort eine mit antiken Skulpturen, Münzen sowie Dingen aus dem Alltag und anderen Preziosen aus den Sammlungen der Staatlichen Museen bestückte Ausstellung über das antike Pergamon gezeigt wurde. Ein mit dieser umfassenden Schau verbundenes riesiges Panoramabild vermittelt eine lebendige Vorstellung davon, wie die mit prächtigen Bauten geschmückte um das Jahr 129 nach Christus ausgesehen hat.
Das von Yadegar Asisi geschaffene Wandbild ist 25 Meter hoch und 103 Meter lang. In einem Rundbau auf dem Ehrenhof des Pergamonmuseums montiert, besteht es aus zahllosen farbigen Einzelbildern, die Asisi in Zusammenarbeit mit Archäologen zu einer einzigartigen Gesamtschau zusammengesetzt hat. Das Panoramabild und die Ausstellung mit ihren vielfach noch nie gezeigten Stücken bilden eine Einheit. An beiden Orten werden auf eindrucksvolle Weise neueste Erkenntnisse über das Leben der Pergamener, ihre Paläste und Heiligtümer und das bunte Treiben auf den Straßen und Plätzen präsentiert.
Die in einer kleinen Schatzkammer ausgelegten etwa 200 Münzen der in vorchristlicher Zeit regierenden Könige von Pergamon und aus anderen Epochen bis in die römischer Kaiserzeit hinein stammen aus dem Besitz des Berliner Münzkabinetts, ergänzt durch zwei bedeutende Leihgaben aus Kopenhagen und Paris. Es handelt dabei um Tetradrachmen des aus dem Geschlecht der Attaliden stammenden Königs Eumenes II., unter dessen Herrschaft in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor Christus nach einem siegreich beendeten Krieg der zu den antiken Weltwundern gerechnete Pergamonaltar errichtet wurde. Gezeigt werden Prägungen von Pergamon und solche aus anderen Münzstätten, so dass die Betrachter einen vorzüglichen Überblick über das in der Hauptstadt des pergamenischen Reiches und der Region umlaufende Geld erhalten. Genannt sei als Besonderheit eine Münze aus der römischen Kaiserzeit. Versehen mit dem Doppelbildnis des Septimius Severus und der Iulia Domna, bildet sie den mit reichem Figurenschmuck und ganz oben mit einem Baldachin versehenen Pergamonaltar ab. Es handelt sich um die einzige authentische Darstellung, die von diesem Siegesmonument überliefert ist. Der Pergamonaltar ist auf dem Panoramagemälde gut zu erkennen, und dabei ist zu beachten, dass der Figurenfries bunt angemalt ist, weil man in der Antike solche Skulpturen gern farbig gefasst hat. Die seltene Bronzemünze ist auf der Museumsinsel zweimal zu sehen, einmal in der erwähnten Ausstellung im Pergamonmuseum und zum anderen im "Blauen Gewölbe" im Alten Museum, in dem das Münzkabinett Prägungen der Griechen, Römer und Kelten präsentiert.
Die Götter-, Herrscher- und Kriegerbilder und die Münzen erinnern daran, dass Pergamon im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus die Metropole eines mächtigen Reiches war, das große Teile der heutigen Türkei umfasste. Die Königsdynastie der Attaliden hatte den Ehrgeiz, Pergamon, das heutige Bergama, zu einem zweiten Athen zu machen. Mit seinen Marmorbauten und Siegesdenkmälern konkurrierte die Stadt mit Athen, dem damals vielgerühmten Machtzentrum der antiken Welt. Die besten Bildhauer ihrer Zeit waren den Königen von Pergamon zu Diensten. In der Ausstellung ist zu erfahren, dass die letzten Attaliden ihr Reich den Römern überließen. Nach einer Phase der Stagnation verhalfen diese der Hauptstadt der Provinz Asia zu neuem Glanz.
Nach dem Ende des Römischen Reiches versank Pergamon in einen Dornröschenschlaf. Die großartigen Bauten und Figuren aus Marmor wurden in nachrömischer Zeit in kleine Stücke zerschlagen und als Baumaterial verwendet. Als der Archäologe Carl Humann im 19. Jahrhundert den Burgberg von Bergama untersuchte, erkannte er, dass im Erdreich spektakuläre Kunstwerke liegen. Bis heute graben deutsche und türkische Archäologen Reste des antiken Pergamon aus. Yadegar Asisi kann sich vorstellen, eines Tages sein Panoramagemälde am historischen Ort aufzustellen, doch dann in überarbeiteter Form, weil die Forschung ja nicht stille steht. Nach dem Abbau der Sonderausstellung in einem Jahr sollen besonders aussagekräftige Stücke weiterhin im Pergamonmuseum oder in einem anderen Gebäude in Berlin gezeigt werden.
Das Panoramagemälde und die Ausstellung, zu der im Michael Imhof Verlag Petersberg ein umfangreicher Katalog erschienen ist (592 Seiten, zahlreiche meist farbige Abbildungen, 39,95 Euro), ist bis zum 30. September 2012 täglich von 9 bis 18 und am Donnerstag bis 22 Uhr geöffnet. Helmut Caspar