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16.06.2004

UNESCO/UNIDROIT

Stellungnahme von Dr. Wolfgang Eberl, München

Das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 17.11.1970

A
Für Deutschland sind bisher die EU-Vorschriften und die diesen Vorschriften angepaßten deutschen Gesetze maßgebend. Die Verordnung (EWG) des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern Nr. 3911/92, Abl. EG Nr. L 395 S. 1, geändert 16.12.1996, Abl. EG Nr. 334/9, gilt unmittelbar, d.h. ohne Umsetzung in deutsches Recht, während die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern, Abl. EG 1993 Nr. L 74, S. 74, durch den deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden mußte, was durch das KultGüRückG vom 15.10.1998 BGBl. I 1754 geschehen ist. Wegen der (negativen) Auswirkungen dieser Vorschriften siehe die ausführliche Darstellung in NVwZ 1994, 729-736.

B
Das UNESCO-Übereinkommen, das die Bundesregierung nunmehr ratifiziert sehen möchte, geht von ähnlichen, zum Teil noch weiterreichenden Vorstellungen aus wie die EU-Vorschriften.

1. In der Präambel des UNESCO-Übereinkommens wird die Bedeutung des Austausches von Kulturgütern unter den Nationen zu wissenschaftlichen, kulturellen und erzieherischen Zwecken betont, u.a. deswegen, weil dieser Austausch die gegenseitige Achtung und das Verständnis unter den Nationen fördert. Weiter wird in der Präambel darauf hingewiesen, daß es jedem Staat obliegt, das in seinem Hoheitsgebiet befindliche Kulturgut vor den Gefahren der unerlaubten Ausgrabung und der unzulässigen Ausfuhr zu schützen.

2. Im einzelnen sieht das Übereinkommen jedoch folgendes vor:

a) Der Kulturgutbegriff des Übereinkommens ist ein nahezu unbegrenzter. Er umfaßt u.a. seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie; die Ergebnisse archäologischer Entdeckungen und (erlaubter und unerlaubter) archäologischer Ausgrabungen; Gut von künstlerischem Interesse wie Bilder, Zeichnungen, Originalarbeiten der Bildhauerkunst und der Skulptur, Druckgraphik und Collagen; seltene Manuskripte und Inkunabeln, alte Bücher, einzeln oder in Sammlungen; Archive einschließlich von Phono-, Photo- und Filmarchiven; Briefmarken, Steuermarken und ähnliches einzeln oder in Sammlungen; schließlich (in einer Art von Auffangtatbeständen) Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt (also zur Zeit vor 1904 entstanden) sind, wie beispielsweise Münzen und gravierte Siegel (Art. 1 Buchst. A bis k).

Wertschwellen sieht das Übereinkommen nicht vor.

b) Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, staatliche Dienststellen einzusetzen und ausreichend auszustatten, die u.a. (auf der Grundlage eines staatlichen Inventars) ein Verzeichnis des bedeutenden öffentlichen und privaten Kulturguts aufzustellen und zu führen haben, dessen Ausfuhr für den Staat einen merklichen Verlust an seinem kulturellen Erbe darstellen würde (Art. 5 Buchstabe b ).

c) Nach Art. 6 müssen die Vertragsstaaten die Ausfuhr verbieten, sofern nicht bei der Ausfuhr eine Bescheinigung über die Genehmigung der Ausfuhr vorliegt. Das Ausfuhrverbot ist zu veröffentlichen.

d) Art. 7 verlangt, daß die Vertragsstaaten die Einfuhr von Kulturgut verbieten, das nach Inkrafttreten des Übereinkommens widerrechtlich in einem anderen Vertragsstaat entwendet wurde. Die Vertragsstaaten müssen auf Ersuchen des Ursprungslandes geeignete Maßnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe von Kulturgut ergreifen. Dabei wird nicht zwischen auf kriminelle Weise erworbenem Kulturgut und Kulturgut, das von zivilrechtlich berechtigten Personen unter Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften ausgeführt wurde, unterschieden. Gutgläubige Erwerber müssen im Fall der Herausgabe an den ersuchenden Staat eine angemessene Entschädigung durch den ersuchenden Staat erhalten.

e) Ferner müssen die Vertragsstaaten die Antiquitätenhändler unter Androhung von Kriminal- oder Ordnungsstrafen verpflichten, Verzeichnisse zu führen, aus denen der Ursprung jedes einzelnen Kulturgutes, Namen und Anschriften der Lieferanten, Beschreibung und Preis für jeden verkauften Gegenstand hervorgehen. Die Händler haben Kulturgutkäufer von einem möglicherweise bestehenden Ausfuhrverbot zu unterrichten (Art. 10).

f) Schließlich haben die Vertragsstaaten mit allen geeigneten Mitteln Übereignungen von Kulturgut zu verhüten, durch die eine unzulässige Einfuhr oder Ausfuhr begünstigt werden könnte (Art. 10).

C
1. Würde das UNESCO-Übereinkommen für Deutschland in Kraft treten, wäre – auch wenn sich das UNESCO-Übereinkommen keine Rückwirkung beilegt – der Kunst- und Antiquitätenhandel in unerträglicher Weise behindert. Wenn die von den Verfassern des Übereinkommens vorgesehene Buchführungspflicht des Handels, die ohne erheblichen Aufwand kaum durchzuführen wäre, erfüllt würde, wäre die Abwanderung eines nicht unwesentlichen Teils des Kunstmarkts in andere Staaten, wo Vorschriften nicht so streng beachtet werden wie in Deutschland, kaum zu verhindern. Damit ginge ein weiterer nicht ganz unerheblicher Teil der deutschen Wirtschaftskraft verloren (Umsatz des Auktionshandels 3 Mrd.; Arbeitsplätze).

2. Ein besonders schwerwiegender Mangel des UNESCO-Übereinkommens besteht nicht nur darin, daß teilweise ganze Kategorien von Kulturgütern als geeignete Schutzobjekte angesehen werden, sondern vor allem darin, daß anders als in den EU-Vorschriften, die wenigstens in Teilbereichen durch die Einführung von Wertschwellen einen (kleinen) Teil der Bagatellfälle aus ihrem Geltungsbereich ausschließen, für die einzelnen Kulturgutkategorien keinerlei Schwellenwerte festgesetzt wurden oder vorgesehen sind. Nach dem Wortlaut des UNESCO-Übereinkommens hat es jeder Vertragsstaat in der Hand, das Übereinkommen auch auf Gegenstände von minimalem Wert anzuwenden – mit der Folge, daß die übrigen Vertragsstaaten dies zu beachten haben. Damit geht das UNESCO-Übereinkommen erheblich über die EU-Vorschriften hinaus.

3. Deutschland hat für seine national wertvollen Kulturgüter überschaubare und einleuchtende und auf vergleichsweise wenige Objekte beschränkte Verzeichnisse (für national wertvolles Kulturgut und für national wertvolle Archive) aufgestellt. Damit konnte das Problem der Ausfuhrgenehmigung zufriedenstellend und praktikabel geregelt werden. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß alle anderen Vertragsstaaten sich bei der Beschränkung der Anwendung des Übereinkommens von ähnlichen Vernunfterwägungen leiten lassen. Unter diesen Umständen erscheint es auch fraglich, ob das Übereinkommen mit dem Grundgesetz, insbesondere den Artikeln 1 und 2, in Einklang gebracht werden könnte.

4. Auch aus Deutschland werden Gegenstände ausgeführt, die durch kriminelle Handlungen (Raubgrabungen) erlangt wurden. Dem kann durch weitere Vorschriften nicht wirksam begegnet werden. Der Erwerb von kriminell erlangten Gegenständen ist in Deutschland schon immer als Hehlerei (§259 StGB) strafbar. Er ist vermutlich auch in den meisten anderen, wenn nicht in allen Staaten verboten; weitere Vorschriften werden hier nichts bringen.

5. Da Deutschland nach seinen schweren Kriegs- und Nachkriegsverlusten an der Einfuhr von Kulturgütern interessiert ist, würde die Inkraftsetzung des UNESCO-Übereinkommens deutschen Interessen kaum nützen, wohl aber sehr erheblichen Schaden bringen und überdies die Nachlässigkeit anderer Staaten bei der Überwachung des Exports belohnen.

Dr. Wolfgang Eberl
April 2004

Das UNIDROIT-Übereinkommen über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24.6.1995

Das Unidroit-Übereinkommen vom 24.6.1995 ist noch erheblich gefährlicher für den legalen Kunst- und Antiquitätenhandel als die UNESCO-Konvention vom 17.11.1970, so daß ein Beitritt Deutschlands, das sich bei der Abstimmung am Ende der Konferenz in Rom der Stimme enthielt, keinesfalls erfolgen darf. Zwar wird auch in diesem Übereinkommen in der Präambel die Bedeutung des Kulturaustausches zur Förderung des Verständnisses zwischen den Völkern sowie der Verbreitung der Kultur zum Wohle der Menschheit und zum Fortschritt der Zivilisation hervorgehoben; die einzelnen Vorschriften des Übereinkommens bezwecken aber allein eine Beschränkung, Behinderung und Verhinderung des Kulturaustausches zwischen den Staaten. Das Übereinkommen enthält nicht einmal einen Hinweis darauf, daß es Aufgabe der Vertragsstaaten ist, für die Sicherheit ihrer archäologischen Fundstätten und für die Verhinderung illegaler Exporte selbst Sorge zu tragen.

1. Das Übereinkommen erfaßt die gleichen Kategorien von Kulturgütern wie das UNESCO-Übereinkommen (Art. 2 und Anlage). Auch hier sind keinerlei Wertschwellen vorgesehen, so daß – je nach Willkür des Herkunftlandes – jede Tonscherbe und jede Münze, die älter als 100 Jahre ist (also z.B. schon die in breiten Sammlerkreisen so beliebten Münzen des II. Deutschen Kaiserreichs) nach diesem Übereinkommen behandelt werden könnten. Ausgenommen sollen nur Kulturgüter sein, die zu Lebzeiten oder innerhalb von 50 Jahren nach dem Tod ihres Urhebers ausgeführt werden (Art. 7, Abs. 1); damit unterliegt sogar die Verwertung noch urheberrechtlich geschützter Kulturgüter (bei einer Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tode des Urhebers) den Verboten des Übereinkommens.

2. In weit größerer Schärfe als die UNESCO-Konvention setzt das Unidroit-Übereinkommen Kulturgüter, die unter Verletzung der Ausfuhrvorschriften eines Staates außer Landes gebracht werden, den gestohlenen Kulturgütern gleich; beide Gruppen werden in gleicher Weise als „rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter“ bezeichnet (Art. 1).

3. Da Diebstähle in allen zivilisierten Staaten ohnehin verboten sind, würde gegen die in Art. 3 vorgesehene Regelung, nach der gestohlene Kulturgüter zurückgegeben werden müssen und dies für Kulturgüter gilt, bei denen dies mit dem Recht des Staates, in dem sie ausgegraben wurden, vereinbar ist, wenig einzuwenden sein, – außer vielleicht, daß ein Vollzug der Bestimmung aus praktischen Gründen, nämlich dann, wenn der Ausgrabungsort, wie so oft bei archäologischen Objekten, nicht feststellbar ist.

Höchst bedenklich ist es aber, für den Rückgabeanspruch eine Verjährungsfrist von fünfzig, eventuell sogar von 75 Jahren einzuführen, wie dies in Art. 3 Abs. 3 bis 5 vorgesehen ist. Derart lange Verjährungsfristen, die übrigens in direktem Gegensatz zu der vor einigen Jahren im Zuge einer groß angelegten Veränderung des BGB durchgeführten Verkürzung fast aller Verjährungsfristen auf regelmäßig nur mehr drei Jahre (bei Ansprüchen aus dem Eigentum unverändert 30 Jahre) stehen, wären mit dem Gebot der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, die auch ein wesentlicher Bestandteil eines Rechtsstaats (Art. 20 GG) sind und bleiben müssen, nicht in Einklang zu bringen. Rückgabeansprüche öffentlicher Sammlungen (Art. 3 Abs. 7) und Ansprüche auf Rückgabe sakraler oder für eine Gemeinschaft bedeutungsvoller Kulturgüter (Art. 3 Abs. 8) müssen nach dem Übereinkommen innerhalb von drei Jahren ab Bekanntwerden des Besitzers erhoben werden, unterliegen aber im übrigen keinerlei zeitlichen Begrenzungen (Art. 3 Abs. 4).

4. Der Besitzer eines gestohlenen Kulturguts soll im Fall der Rückgabe nur dann Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn er weder wußte noch vernünftigerweise hätte wissen können, daß das Gut gestohlen war und wenn er nachweisen kann, beim Erwerb mit gebührender Sorgfalt gehandelt zu haben (Art. 4 Abs. 1,4). Durch diese Regelung würde das Rechtsinstitut der Ersitzung (§937 BGB), das gleichfalls der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient und das auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beim Erwerb abstellt, jedenfalls nicht mehr im gleichen Umfang wie bisher anwendbar sein. – Art. 4 Abs. 2 könnte umfangreiche und vielfach erfolglose bürokratische Tätigkeiten auslösen.

5. Mit dem deutschen Recht nicht vereinbar sind die Regelungen Art. 5 bis 7 des Übereinkommens. Danach soll die Geltung verwaltungsrechtlicher Vorschriften über die Grenzen der einzelnen Vertragsstaaten hinaus erstreckt werden. Im Fall einer verwaltungsrechtlich nicht erlaubten Ausfuhr soll der Staat, aus dem das Kulturgut ausgeführt wurde (auch wenn dieser Staat die Ausfuhr nicht oder nicht genügend überwacht hat), einen sogenannten Rückführungsanspruch haben, d. h. wenn ein unter Nichtbeachtung von Ausfuhrvorschriften exportiertes Kulturgut in sein Ursprungsland zurückkommt, soll es nicht an den früheren Eigentümer fallen, sondern nunmehr soll der Staat Eigentümer des zivilrechtlich einwandfrei gehandelten Kulturgutes werden. Als Voraussetzung für den „Rückgabeanspruch“ genügt es, daß das Gut für den ersuchenden Staat von wesentlicher kultureller Bedeutung ist (Art. 5 Abs. 3 d). Damit ist der Willkür der einzelnen Staaten Tür und Tor geöffnet.

Entschädigung soll nur demjenigen Eigentümer geleistet werden, der seinen guten Glauben hinsichtlich der Erlaubtheit der Ausfuhr nachweist (Art. 6 Abs. 1 und 2). Diese Regelung dürfte mit Art. 14 GG nicht in Übereinstimmung zu bringen sein.

Gegen die übermäßig lange Verjährungsfrist von fünfzig Jahren (Art. 5 Abs. 5) bestehen die oben unter Ziffer 3 dargestellten Bedenken.

Die Bestimmung würde dem bisher legalen Kunsthandel in ganz Europa und darüber hinaus unzumutbare Prüfungspflichten auferlegen. Wie soll z. B. ein Münzauktionator jemals feststellen können, ob ein im 18. Jahrhundert geprägter Taler des Hauses Habsburg vor oder nach dem Inkrafttreten des Unidroit-Übereinkommens aus Österreich ausgeführt wurde? Wie soll der Ausfuhrzeitpunkt von englischem oder sächsischem Porzellan ermittelt werden? Die Fälle der durch das Unidroit-Übereinkommen entstehenden Unsicherheiten sind zahllos. Alle Museen, Sammler und Händler sind unzumutbarer Unsicherheit ausgesetzt – es sei denn, das Sammeln und Handeln mit Kulturgütern, die vor 1904 entstanden sind, würde gänzlich eingestellt werden, was sicherlich nicht im Sinn der eingangs zitierten Stelle der Präambel liegen würde.

Der gesamte Kunst- und Antiquitätenhandel, dessen Existenz durch das Übereinkommen erheblich bedroht ist, muß sich nachdrücklich gegen die in diesem Übereinkommen angelegte, gegen Art. 12 GG verstoßende Kriminalisierung wenden. Was vielleicht im Einzelfall einmal einem Staat, der im eigenen Hoheitsgebiet ungenügend tätig war, zugute kommen könnte, würde durch eine weltweit weitgehende Lähmung des Handels und durch das Wiederaufleben nationalistischer Gedankengänge und Gefühle (negativ) mehr als wettgemacht werden.

6. Art. 9 ermächtigt die Vertragsstaaten ausdrücklich, alle Vorschriften anzuwenden, die für die Rückkehr oder Rückführung von Kulturgut günstiger sind als die Regelungen des Übereinkommens.

7. Rückwirkung auf Kulturgut, das vor dem Inkrafttreten des Unidroit-Übereinkommens gestohlen oder rechtswidrig ausgeführt wurde, sieht das Übereinkommen nicht vor. Es schließt aber Ansprüche, die bis dahin bereits bestanden haben, nicht aus.

8. Schließlich soll auch die Frage gestellt werden, ob das Übereinkommen außer einer Gängelung der Bürger und einer unverhältnismäßigen Bürokratisierung überhaupt positive Wirkungen zu entfalten, geeignet ist.

Dr. Wolfgang Eberl
April 2004